Go Go Revisited
In den frühen Tagen unserer Bandgeschichte schrieben und veröffentlichten wir fast unablässig neue Stücke: unsere ersten drei EPs und diese Single liegen in einem Zeitraum kleiner als eineinhalb Jahre.
Nachdem wir mit Robot erstmals etwas mehr Aufmerksamkeit bekommen hatten und sowohl das als auch den musikalisch eingeschlagenen Weg mit Música fortführten, bekamen wir das Gefühl, es entstehe ein festes Bild davon, was Locas In Love sind und ausmacht. Die von uns wahrgenommene Haltung, daß wir auf eine bestimmte Weise zu klingen und zu funktionieren haben, fanden wir einengend. Wir hatten keinerlei Interesse, eine Erwartung und vorwiegend Leuten mit zu großen Plattensammlungen (obwohl an ihnen per se nichts verkehrt ist) zu bedienen und immer mehr als Wohnzimmer-Folk-Band einzementiert zu werden.
Natürlich war auch dieses Etikett an sich in Ordnung, nur empfanden und empfinden wir selber unsere Band als ein Gewächs, das immer weiter wuchert - und sein kann, was es will, ohne sich selber untreu zu werden. Eine Festlegung auf bloße deutschsprachige Americana oder dergleichen schien uns langweilig und lähmend.
Bei einem Konzert im Januar mit Nikki Sudden, möge seine liebe Seele in Frieden ruhen, war die Band Katze, damals noch in Köln ansässig, zu Gast und Paul Greco sprach uns nach dem Konzert begeistert an. Er wollte wissen, was für einen Baß Stefanie spielte (ein Hüttl Halbakustik-Baß aus den 60erjahren, vermutlich Einzelstück) und ob wir etwas zusammen machen wollen. Kurz darauf besuchten Stefanie und ich wiederum Katze in ihrer Urbesetzung mit Klaus, Antje, Paul und Daniel am Schlagzeug und waren ebenfalls begeistert und beeindruckt. Die Band war so gut, daß klar war, daß sie ein Jahr später die Welt beherrscht hätte, hätte sie durchgehalten. Jedenfalls entstand direkt nach dem Konzert der Plan, möglichst schnell eine Splitsingle zusammen herauszugeben und Paul wollte ohnehin ein Label mit Stefan Plank gründen, dem Sohn von Conny und Christa.
Um erstens zwei Songs für die Single zu machen und zweitens die Fußketten der Genrefestlegung abzustreifen, entschieden wir uns für Stücke, die wir selber als Beatrock bezeichneten: eine Art Auslegung (oder der Versuch davon) der Kinks oder vergleichbarer Bands, die wir ebenso liebten wie die Dinge, an denen wir uns bislang abgearbeitet hatten. Es entsprach auch am ehesten unserer damaligen Besetzung, deren einzige Aufnahme diese Single ist. Mit Kurt als erstem festen Schlagzeuger hatten wir begonnen, eher als Band und weniger als Freunde im Wohnzimmer zu musizieren. Daß wir so rumpelig und garagig spielten, war rückblickend betrachtet auch weniger eine ästhetische Entscheidung: wir waren einfach nicht virtuoser.
Die Aufnahmen und den Mix erledigten wir in einem Tag mit Christoph, der uns später auch beim ersten Album begleitete im Wahlestudio in Düsseldorf, wo eine echte Hammond B3 UND ein echtes Mellotron herumstanden, was wir beides vorher noch nie gesehen hatten. Das Mastering hängten wir an das Album-Mastering der Dackel 5 (der Band, in der ich parallel spielte und deren letztes Album kurze Zeit später erscheinen sollte) am Folgetag an. Weil der Vortag extrem lange ging, bis ca. 5 Uhr früh, und das Mastering ebenfalls früh begann, vielleicht um 9 oder 10, schlief ich nur kurz und hing schlapp und wortlos bei Kai Blankenberg im Sessel, der nicht wußte, daß ich übermüdet bin, sondern lange Zeit annahm, ich sei ein wortkarger und grüblerischer, um nicht zu sagen schlechtgelaunter Typ.
Aufgrund des auch 2003 schon hochobskuren Formats – die Split-7"-Single ist in der Wahrnehmung der meisten Menschen eher ein Gag als wirklicher Tonträger – passierte natürlich nicht sehr viel damit. Die unschlagbare Katze-Urbesetzung brach bald auseinander, es blieb der letzte Tonträger mit Kurt am Schlagzeug.
'El Loco Roco', den Titel haben wir an einen Versuch von Bill Haley, in Mexiko Fuß zu fassen, angelehnt, fand gelegentlich, aber selten den Weg in unsere Konzerte (das letzte mal vermutlich auf der Tour im Frühjahr 2005), 'Die Apokalypse erreicht Mühlacker' wird hingegen bis heute von uns gerne gespielt und von unserem Publikum gerne verlangt.
So viel Text zu so wenig Tonträger. Da aber anzunehmen ist, daß er der letzte sein wird, den jemand über die Single schreibt, sollte dieser Fußnote in unserer Veröffentlichungskarriere zumindest ein kurzes Mal die Gerechtigkeit widerfahren, sich ihrer zu erinnern. Bei langsamem bis mittelschnellen Lesen müßte dieser Text in der Lesedauer der Spielzeit der beiden Lieder entsprechen.
Viel Spaß.
Björn, Oktober 2008