An Den Falschen Orten Single // Amazon // iTunes
   
   
  Auto Destruct - erschienen auf Lemming - 01.07.2011 // Amazon - CD // Amazon - LP // iTunes
   
Die Aufnahmen fanden im Chem 19 in Hamilton, Schottland im Januar 2010 statt, Engineer war Paul Savage, sowie dem Bear Cave Studio in Köln zwischen Januar 2010 und Januar 2011, Engineer war Niklas, außerdem in den Tarquin Studios in Bridgeport, CT im September und Oktober 2010 mit Greg Giorgio. Zusätzliche Gesangsaufnahmen für 'An den falschen Orten', 'Road Movie' und 'Über Nacht...' mit Erik Breuer im Brewery Studio Köln im Dezember 2010.

Mix: Peter Katis, Assistent: Greg Giorgio (außer "Lemming": Mix von Greg Giorgio) in den Tarquin Studios, Bridgeport, CT zwischen September 2010 und Februar 2011.

Mastering: John Dent / Loud Mastering, Taunton, UK im März 2011.
Artwork von Stefanie (Automatische Bilder, 2007-2011, Lemminge 2011).

Tracks:

1. Über Nacht ist ein ganzer Wald gewachsen

Stefanie: Baßgitarre, Gesang, Memotron, Piano, Wurlitzer
Björn: elektrische und halbakustische Gitarre, Lap Steel, Gesang
Niklas: Gitarre
Schlagzeug, Tambourin: Christian Schneider

2. Road Movie

Stefanie: Baßgitarre, Stylophone, Rhodes, Gesang
Björn: akustische und elektrische Gitarre, Gesang
Niklas: Gitarre
Schlagzeug, Pauken: Christian Schneider

3. Auto Destruct

Stefanie: Baßgitarre, Piano, Wurlitzer, Synthesizer, Gesang
Björn: Gesang
Niklas: Gitarre, Chor
Schlagzeuge, Shaker: Christian Schneider
Chor: Rockaway Shanty (Andreas Homeyer, Christoph Brehmer, Daniel Handke, Elmar Metzdorf, Guido Karthaus, Hinnerk Ahrens, Joachim Weber, Mario Mech, Mirko Neugart, Rene Büscher, Sven Aufenvenne, Tim Kayser, Tom Büscher)

4. Es ist alles wirklich so schlimm wie es scheint

Stefanie: Baßgitarre, Toy Piano, Celeste, Piano, Memotron, Gesang
Björn: Gitarre, Gesang
Niklas: Gitarre
Schlagzeug: Christian Schneider

5. Ist das Blut?

Stefanie: Baßgitarre, Stylophone
Björn: Gitarre, Gesang
Niklas: Gitarre
Schlagzeug, Tambourin: Christian Schneider

6. Manifest

Stefanie: Baßgitarre, Memotron, Piano
Björn: Gitarre, Ukulele, Lap Steel, Baritongitarre, Gesang
Niklas: 12-saitige Gitarre
Schlagzeug: Christian Schneider
Trompete: Michael Kuhl

7. An den falschen Orten

Stefanie: Baßgitarre, Gesang
Björn: Gitarre, Gesang, Orgel, Synthesizer
Niklas: Gitarre, Programmierung
Schlagzeug: Christian Schneider

8. Lemming (Es wird immer dasselbe sein)

Stefanie: Baßgitarre, Stylophone
Björn: Gitarre, Gesang
Niklas: Gitarre
Schlagzeug: Christian Schneider

9. Spoiler Warnng

Stefanie: Baßgitarre, Orgel, Gesang
Björn: Piano, Gitarre, Memotron, Gesang
Niklas: Gitarre
Schlagzeug, Glockenspiel, Snare: Christian Schneider
Chor: Rockaway Shanty (Andreas Homeyer, Christoph Brehmer, Daniel Handke, Elmar Metzdorf, Guido Karthaus, Hinnerk Ahrens, Joachim Weber, Mario Mech, Mirko Neugart, Rene Büscher, Sven Aufenvenne, Tim Kayser, Tom Büscher)

10. Una Questa

Stefanie: Baßgitarre, Piano, Memotron, Gesang
Björn: Gitarre, Nashville Guitar, Gesang
Niklas: Gitarre
Schlagzeug, Shaker: Christian Schneider

11. Die zehn Gebote

Stefanie: Memotron, Rhodes, Gesang
Björn: Gesang



 
 
Lemminge (Lemmus) gehören zur Gattung der Lemmini. Die kleinen Freunde mit den oft als walzenförmig oder gedrungen bezeichneten Körpern sind Nage- und Säugetiere und direkte Verwandte der Wühlmaus, in der Größe ungefähr zwischen Hamster und Meerschwein, also 8, 10, 13 cm etwa. Die Lehrmeinungen gehen auseinander, welche der verschiedenen Arten tatsächlich zu den Lemmingen gehören: im Wesentlichen gehen wir aus vom Berglemming (Skandinavien, Kolahalbinsel), dem Sibirischen Lemming (Sibirien), dem Braunen Lemming (arktische Regionen Alaskas und Kanadas) mit den gelegentlich als Unterarten geführten Pribilof-Lemming (Pribilof Islands), Amurlemming (östl. Sibirien vom Amurbecken bis Kamtschatka) sowie Moorlemming (USA, Kanada) und Waldlemming (Taiga Eurasiens). Nicht zum engeren Kreis der Lemminge zählen der schrille und unterirdisch lebende Mull-Lemming, eine etwas größere Wühlmaus-Variante, die dem Lemming ähnlich sieht, aber sich in Lebensweise und Interessen unterscheidet. Genauso der Halsbandlemming, dessen Fell im Sommer in Erdtönen getragen wird, sich im Winter völlig weiß färbt, was als einmalig gilt (andere Schneenagetiere wie Hase, Hermelin sind immer weiß). Weiteres einmaliges Feature des Halsbandlemmings: ein jahreszeitliches Anwachsen der dritten und vierten Kralle der Vorderbeine. Im Sommer sind sie von normaler Größe, wachsen im Winter aber beträchtlich an und werden dicker und stärker, damit die kompakten und freundlichen Wühler selbst in gefrorener Erde noch graben können.
 
   
Interessen aller Lemminge sind zB Graben, Wühlen, Beeren, Tierdokumentationen, Musik (Serge Gainsbourg, Locas In Love und Motörhead mit Frontman Lemming Kilmister), Rennen, Lesen (Stanislaw Lem), Liebe und Reisen.
Allgemein bekannt sind ihre massenhaften Wanderungen, die sie aufgrund des periodisch auftretenden Populationsdrucks unternehmen (pro Jahr wirft ein Lemmingweibchen etwa vier mal). Ebenso als bekannt gilt der grausame Mythos vom „Massenselbstmord“ der Lemminge, dieser ist jedoch eine Legende. Wahr ist leider, dass viele Tiere diese Wanderungen auf der Suche nach neuen Lebensräumen nicht überleben, woraus im Hause Disney für den Tierfilm ‚White Wilderness‘ (1958) die Mär vom über die Klippe springenden Lemming konstruiert wurde*. Dabei wurden Lemminge vor laufender Kamera über eine rotierende Drehscheibe geleitet, die sie in den Tod katapultierte – während dieser ‚Sprung‘ von der Kamera aufgezeichnet wurde, wurde die Drehscheibe natürlich nicht mit ins Bild genommen. Dennoch blieb dieses falsche wenngleich ikonische Bild bis heute synonym mit dem Lemming: das vermeintliche Getriebensein und das unerklärliche Bedürfnis, einen nicht bekannten Ort zu erreichen, selbst wenn dieser den eigenen Tod bedeutet.
 
   
Der Lemming in der populären Kultur - Diese Vorstellung vom Lemming liegt natürlich auch den originellen Computerspielklassikern der ‚Lemmings‘-Reihe aus dem Hause DMA/Psygnosis zugrunde, von denen zwischen 1991 und 2008 zahlreiche Teile auf diversen Plattformen veröffentlicht wurden.
Dominik Moll hat 2005 einen David Lynch-haft verstörenden Film mit Charlotte Gainsbourg als Hauptdarstellerin gedreht, der ebenfalls Lemming heißt und in dem ein solcher eine Verkettung beklemmender Wirrheiten initiiert. Und bei wikipedia hat der schwedische Leichtathlet Eric Lemming (1880-1930) einen Eintrag, er gilt als Erfinder der modernen Speerwurftechnik und gewann einen ganzen Schrank voller Medaillen.
 
     
  *Ein interessanter Artikel, der diese Information und weitere über die vermeintliche Echtheit von Tierfilmen enthält findet sich in der fünften Ausgabe des Magazins ZOON – Tier & Mensch (2011), siehe: http://zoon.de/images/stories/inhaltsverzeichnis_ausgabe5.pdf
 
Jan Wigger auf Spiegel Online:

Wenn Popautoren wie Eric Pfeil oder Josef Winkler schon seit Jahren einigermaßen euphorisiert von einer ganz bestimmten Musikgruppe berichten, dann hat dies gute Gründe. Zwar singen die Locas In Love auf Deutsch und reden auch von Straßen und Zügen, klingen aber überhaupt nicht nach einer deutschen Band, sondern suchen lieber die Geschichte des internationalen Poprocks nach seltenen Erinnerungsstücken ab, die einen Locas-Song bereichern könnten: "Auto Destruct" beginnt wie eine Frühstücksskizze von Britt Daniel (oder wie "We Used To Wait" von Arcade Fire), "An den falschen Orten" belehnt Neu!, "Lemming (Es wird immer dasselbe sein)" ist ein Rückgriff auf beinahe klassischen US-Indierock. Weil man mit Namen wie Stefanie Schrank, Jan Niklas Jansen und Björn Sonnenberg weder Versicherungssachbearbeiter noch Fleischergeselle werden kann, hat sich die Band aus Köln bereits in der Vergangenheit darauf konzentriert, schmerzliche Wahrheiten auf ungewöhnlichem Wege mitzuteilen: In "Spoiler Warning" verknüpft man kunstvoll "Ein Loch ist im Eimer" und "Let It Be": "Verstopf es mit dir selbst, mit dir selbst, mit dir selbst/ Wenn du glaubst, dass sich etwas ändert/ Wenn du glaubst, dass du es aushältst/ Sonst lass es sein, lass es gehen, lass es los/ Worte voller Weisheit: Lass es sein." Ja, es ist wichtig und beruhigend, seinen größten Feind immer in der Nähe zu wissen. Doch es ist ebenso wichtig, sich mit Liedern zu umgeben, denen man nicht erst erklären muss, warum man so ist, wie man ist. Keep some steady friends around. (8/10)

Christian Steinbrink in Intro #194:

Locas In Love entpuppen sich auf der Spielfläche des strahlenden Pop vollends als eine der größten Bands des Landes.

Die Liebe in Zeiten des Kapitalismus haben die Kölner Locas In Love probiert, und sie sind dabei ziemlich weit gegangen: Mit ihrem zweiten Anzug Karpatenhund suchten sie nach einer Form von Pop, der sowohl das Kleine als auch das Große anspricht. Künstlerisch gelang das Experiment, kommerziell nur sehr eingeschränkt.
Nun haben sie ihre Versuchsanordnung vereinfacht und als die Band, an der letztlich ihr Herz hängt, den Lo-Fi-Duktus hinter sich gelassen und großen Pop eingespielt. Zwar umfassen die elf neuen Songs weiterhin tausend Klänge, die allermeisten sind nun aber elektrisch verstärkt in einer Konsequenz, die man selbst diesen notorischen Überraschungseiern kaum zugetraut hätte. Zumal die Locas sich auf ihrer neuen großen Spielfläche aus Shoegaze, Noise und Kraut so gut zurechtfinden, als wären sie dort von Beginn an zu Hause gewesen. Die Folgen sind eindeutig: »Lemming« hat die besten Liebeslieder, die besten Protestsongs, alles so leicht und gewitzt, als wäre das kleines Einmaleins. Dazu Zitate, die viel besser als nur Zitatpop funktionieren, nämlich auf der vollen Klaviatur der Emotionen von zart bis hart. Sagen wir es einfach: das beste unprätentiöse deutschsprachige Indie-Pop-Album seit vielen Jahren. Nageln Sie mich darauf fest.

In drei Worten:  WACH / HASS / POP

Eric Pfeil im FAZ Pop Blog:

Welt, wappne Dich!
Demnächst erscheint mein diesjähriges deutschsprachiges Lieblingsalbum. Ja, das kann man so ruhig mal schreiben. Auch und gerade, weil ich sonst nicht der größte Fan von Jetzt-schon-das-beste-Album-des-Jahres-Verlautbarungen bin. Aber die Tatsache, dass ich mich im vorliegenden Fall doch einmal hinreißen lasse, sagt viel über meine Liebe zu diesem Album aus. Ich bin gar so begeistert, dass ich das gleich das erste Plattenfirmen-Info meines Lebens für die Band verfasst habe. Bin ich damit befangen? Blödsinn, hier geht es um Popmusik, nicht um Wertpapierhandel.
Locas In Love aus Köln veröffentlichen demnächst das Album „Lemming" und es übertrifft tatsächlich alles, was ich mir von dieser Band nach ihrem letzten regulären Werk „Saurus" erwartet habe. Locas In Love - die, wie es der Zufall so will, ihr Studio gleich hier ums Eck haben - sind die Band, der ich (und ich betone an dieser Stelle, dass wir uns bis heute noch nie persönlich getroffen haben!) jederzeit meine Lieblings-Jackets und meine gesamte Sammlung italienischer Filme anvertrauen würde. Deshalb, weil diese Band für mich eine musikalische wie textliche Glaubwürdigkeit verkörpert, die man innerhalb der Konstruktion „Pop" als befremdlich empfinden müsste, wenn sie nicht so cool und dabei doch beseelt daherkäme.
Alles hier wirkt abgerungen, erkämpft, in Schlachten erobert und danach mehrfach auf jeden Zweifel hin abgeprüft - und trotzdem klingt es so wunderbar leicht und selbstverständlich, dass ich mich frage, wann im deutschen Pop (außer bei Erdmöbel) es zuletzt soviel Leben und Liebe zu hören gab. Nein, ich bin nicht pathetisch, Sie sollten mich mal erleben, wenn ich meine pathetischen fünf Minuten habe!
„Über Nacht ist ein ganzer Wald gewachsen (Das Licht am Ende des Tunnels ist ein Zug)" heißt der Auftaktsong- und wie Björn Sonnenberg und Stefanie Schrank diesen zweiten titelspendenden Satz singen - ganz so, als habe man die froheste Botschaft der Welt zu verkünden -, das muss man gehört haben. In den folgenden zehn Songs fallen Sätze wie „Es ist alles wirklich so schlimm wie es scheint" oder „Ich weiß nie, welchen Draht ich durchschneiden soll: den roten oder den blauen...". Und trotzdem haben diese Stücke eine trostspendende Kraft, die ihresgleichen sucht. Auch in der Musik knallt das Zerknirschte immer wieder auf das Euphorische, Donnernde: Velvet Underground spielen hier eins ums andere Mal mit den Flaming Lips zur großen Jetzt-gilt-es-Sause auf. Wirklich: Besser wird es 2011 nicht mehr im deutschsprachigen Pop. Sorry, Ja, Panik.


Anja Rützel in Financial Times Deutschland:

Pitsch, patsch! "Du erzählst, dass dein Leben die Hölle ist/aber ich glaub, du weißt nicht, wovon du sprichst/das ist doch maximal eine Vorhölle." In ihrem Lied "Spoiler Warning" verpasst die Kölner Band Locas in Love allen halb gar Leidenden und halbherzig Liebenden ein paar ordentliche Ohrfeigen. Keine Relativierungen, keine Verwässerungen. Es geht hier um wahre Liebe und echten Hass, drunter machen sie es nicht. Auf "Lemming" funktioniert beides vorzüglich nebeneinander. Wie der Nager, der ihrem dritten Album den Namen gibt, sind auch Locas in Love von flauschiger Renitenz: Dieses Album hat kein Sicherheitsnetz aus saumseliger Indie-Niedlichkeit, es ist ein musikalisches und emotionales All-in. Unbeirrbar zieht der Lemming los, wenn die Höhle zu eng geworden ist. Den Wühlmäusen zugehörig, zieht es ihn naturgemäß zur Wurzel. Zur Wurzel allen Übels, auch zum Kern allen Schönen. Die Trennung zwischen Liebeslied und Gesellschaftssong wird säuberlich durchgenagt. Zu mal brausendem, mal tröstlichem Krautnoise-Großpop, voll von Erinnerungen der Pop- und Rockgeschichte, erfährt man, was man schon ahnte: "Es ist alles wirklich so schlimm, wie es scheint." Also raus aus der Höhle, rein ins Wasser, alles Garstige zurücklassen. Nimm eine Jacke mit, wir müssen los. (Wertung: 5/5)


Jochen Overbeck für teleschau:

Hach, diese Stimme: Wenn Björn Sonnenberg zu singen beginnt, gehen mindestens drei Sonnen auf. Brummelig klingt er, ungemein tröstend, ein bisschen nach Lagerfeuer. Das führt natürlich gnadenlos in die Irre, denn der Inhalt aller bisherigen Platten der Kölner Popband Locas In Love sagte schließlich völlig andere Sachen aus, als so abgeschmackte Romantik-Vorstellungen implizieren. Zweifeln. An der Menschheit, am System, an sich selbst. Nicht des Zweifelns wegen, sondern weil Zweifeln nun mal dazugehört zum Menschen.
'Lemming' ist das vierte Album von Locas In Love, und es stellt einen mit diesen Zweifeln prall gefüllten Einkaufswagen auch mal direkt neben dem Themenkomplex 'Liebe', also dem traditionellen Stichwortgeber der Popmusik, ab. Dass es als erstes Locas-In-Love-Album bei Staatsakt erscheint, jenem Label, das zuletzt die hervorragenden Platten von Ja, Panik und Andreas Dorau veröffentlichte, passt da gut.
'Ich weiß nie, welchen Draht ich durchtrennen muss / Den roten oder den blauen / Man weiß es immer erst am Schluss / Aber ich habe gelernt und bin fast völlig entspannt / Ich lerne immer besser, dass es mir egal sein kann', heißt es im ersten Song des Albums, dessen Titel so lang ist, dass man ihn hier keinesfalls niederschreiben kann. Auf jeden Fall kluge Worte, denen im weiteren Verlauf des Albums viele folgen. Mal eigene, mal solche, die sich aus dem Referenzkästchen der Popmusik bedienen. Da wird 'Let It Be' von den Beatles kurz ins Deutsche anübersetzt und Alice Cooper zitiert. Auch das Loch im Eimer, jenes aus dem bekannten Kinderlied, hat in 'Spoiler Warning' seinen Platz.
Inszeniert wurde das alles von Paul Savage in Glasgow als wunderbarer Slacker-Pop. Savage produzierte zuletzt Mogwais mächtiges 'Hardcore Will Never Die But You Will'. Das hört man deutlich, etwa im krachigen, von Stefanie Schrank eingesungenen 'Road Movie', im unbescheiden betitelten 'Manifest' mit seinem melancholischen Westcoast-trifft-Schottland-Pop, der sogar Platz für feierliche Fanfaren lässt oder im Titelsong mit seiner Franz-Ferdinand-Zackigkeit. 'Wenn ich es in Worten sagen könnte / Was ich zu sagen hätte / Gäbe es keinen Grund / Immer noch ein weiteres Lied zu schreiben / Immer noch ein weiteres Album zu machen', singt ein angezerrter Sonnenberg hier. Das Getriebensein also. Ein altes Motiv der Popmusik, gleichwohl ein verständliches. Bleibt zu hoffen, dass uns dieser Mann, diese Band noch lange erhalten bleibt. (Bewertung: ausgezeichnet)


Motor FM:

Lemminge springen nicht über Klippen. Für den Disney-Tierfilm, der diesen Mythos entstehen ließ, wurden die hamsterähnlichen Tiere von der Film-Crew über die Klippe geschleudert, damit man spektakuläre Bilder zeigen konnte. Vielleicht haben Locas In Love ihr Album nur „Lemming“ genannt, um das mal klarzustellen. Das vierte Album der Kölner ist aber auch ohne Lemming-Mythos eure Aufmerksamkeit Wert. In elf Songs fordert die Band das Totale, die große Liebe, die bessere Welt. Produziert von John Savage, der sonst mit Franz Ferdinand arbeitet, gemixt von Peter Katis, der auch die Knöpfe für Interpol und Jonsi dreht: Das sollte noch mal beweisen, dass Locas In Love keine Deutsch-Pop-Band sind. Indie-Rock bis Krautrock lässt sich hier heraushören. Neben Ja, Panik sind vier Kölner wohl die besten deutschen Songwriter. Sie verbinden das Kinderlied „Ein Loch ist im Eimer“ mit „Let It Be“ – nur einer von vielen Kunstgriffen. Radikal und absolut erklärt „Lemming“ die großen Probleme im Kleinen.


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Nach ihrem Überraschungshit `Saurus' aus dem Jahr 2007 ließen sich Locas in Love einige Zeit für ihr neues reguläres Album. Verkürzt wurde die Pause aber durch ihr wunderbares Winter-Konzeptalbum im Jahr 2008. Gut vier Jahre nach Erscheinen von 'Saurus' erblickt nun 'Lemming' das Licht der Welt.
Dass Locas in Love es mit ihrer Musik verdammt ernst meinen wird schon nach den ersten zwei Songs klar. Sie starten mit einem solchen Furor, dass sie glatt als deutsche Arcade Fire durchgehen könnten. Gutgemeinte Vergleiche mit der kanadischen Ausnahmeband verbieten sich jedoch, die hat die Kölner Indieband gar nicht nötig. Locas in Love haben auf 'Lemming' ihren eigenen Stil gefunden und brauchen keinen internationalen Vergleich zu scheuen. Selten hört man solch interessante Popmusik aus deutschem Lande. Leichtfüßig aber nicht belanglos, ambitioniert aber nicht bemüht, intelligent aber nicht verkopft musizieren sich Locas in Love auf 'Lemming' durch 11 Songperlen.
/ Man müsste sich selbst in Teile schlagen, in 1000 Scherben / und sich neu zusammensetzen, so wie man sein möchte /ohne all die Fehler, ohne alle die Löcher und mit einem anderen Gesicht / ich z. B. könnte der beste Mann aller Zeiten sein,
behauptet Björn Sonnenberg in 'Spoiler Warning'. Ob das stimmt? Einer der besten Songwriter Deutschlands ist er zumindest auch ohne dass er sich zuvor in seine Einzelteile zerlegt.
In 'Manifest' singt er mit seiner prägnanten und unvergleichlichen Stimme von seinen Vorstellungen über Liebe und Hass und schafft damit eine erhabene und feierliche Songatmosphäre, die schon 'Winter' so einzigartig gemacht hat. Die Platte hat jedoch sehr viel mehr zu bieten: In der mitreißenden Powerpop Hymne 'Road Movie' singt Stefanie Schrank von geheimen Orten.
/ Nimm eine Jacke mit, wir müssen los /
fordert sie uns auf. Wer möchte nach diesem herzzerreißenden Song noch wiedersprechen?
Auch die noisigen Elemente wie etwa in der grandiosen sechseinhalbminütigen Albumversion der Single 'An den falschen Orten' bereichern das Soundspektrum vom Locas in Love und man fragt sich, wann zuletzt solch ambitionierte Popmusik in Deutschland erschienen ist? Viel Zeit zum nachdenken bekommt man jedoch während der dreiviertel Stunde Spielzeit von 'Lemming' nicht. Erst die Soundcollage am Ende des Albums lässt den Hörer wieder durchatmen und zur Ruhe kommen. Lemming endet so wie 'Saurus' begann. Aus der Ferne erklingen einige Takte von dessen Eröffnungsstück 'Sachen'. Stille. Der Hörer bleibt staunend zurück.
Eine letzte Botschaft haben Locas in Love noch für uns. 'Create something of true beauty or die tryin' ist auf der Vinylversion von 'Lemming' eingraviert.
Was Locas in Love betrifft, so hören sie sich auf 'Lemming' jedenfalls verdammt lebendig an. (*****)


Stuz.de

Pop, der die Couch ersetzt, und einigen geschundenen Seelen die Lebensfreude zurückbringt!*

Auf ihrer Homepage bieten Locas In Love besonders faulen Journalisten einen ganz speziellen Service: Es gibt dort einen Generator für Rezensionen zu ihrem neuesten Album „Lemming“, garniert mit dem Tipp, dass dieser mit minimalen Anpassungen auch für jede andere Platte zu gebrauchen ist. Auswählen kann man dort aus verschiedenen Plattitüden und Nonsens-Einträgen, was teilweise unheimlichen Spaß bereitet. Mit der Platte selbst hat das natürlich wenig zu tun – die Texte, die dort zu hören sind, sind eher das genaue Gegenteil. Selten hat man in Deutschland Menschen – Achtung, Pathos! – so wahrhaftig über das Leben und ja, auch über die Liebe singen gehört.
Man kann sich nicht einmal entscheiden, welche Textzeile man zitieren möchte, um dies zu zeigen, schließlich entfaltet sich die wahre Stärke der Lyrics erst im Gesamtkontext und zusammen mit der Musik. Denn auch sie, die Musik, ist in Deutschland wohl einzigartig. Mal poppig, mal rockig, hier eingängig, da eher noisig. An manchen Stellen klingt sie, als würden Sonic Youth versuchen, Radiopopsongs zu schreiben. Drei Jahre hat man auf dieses Album warten müssen, zählt man die Konzeptplatte „Winter“ nicht mit, liegt das letzte Locas-Werk sogar vier Jahre zurück. Das Warten hat sich aber gelohnt, denn „Lemming“ hat gute Chancen, das beste deutschsprachige Album des Jahres 2011 zu werden. Das kann man schon jetzt sagen, auch wenn noch sechs Monate vor uns liegen.
*Die Überschrift stammt aus dem angesprochenen Review-Generator der Band.


Christopher Quadt bei Mainstage.de

Wir könnten uns an dieser Stelle darauf einigen, dass es im folgenden Artikel explizit um das neue Album Lemming von Locas in Love gehen soll, dass wir uns nur über die neuen Stücke unterhalten, Hintergrundinformationen abklappern und Bezüge zu den älteren Alben oder anderen Künstlern herstellen, doch genau das wäre der Band gegenüber nicht fair. Wer so viel Hingabe in die Musik steckt, soll einmal nicht mit einem Artikel abgefertigt werden, der sich von den anderen Beiträgen, die in diesen Tagen bei diversen Medien erscheinen, nur banal unterscheidet. Hier wird es jetzt persönlich und das mit gutem Grund. Lemming, oder der Versuch einer Rezension …

Wenn alles gesagt ist und die Worte ausgehen und die Reime und die Satzzeichen und das meiste eine Wiederholung ist oder nichts bedeutet, muß jeder Satz eine Entscheidung sein. Und keinen Satz, kein Wort, nicht einmal ein Komma schreiben, nur um es zu schreiben. Es gibt keine Zeilen mehr, die so noch keiner geschrieben hat, also schreib sie so, daß sie wenigstes für dich selber notwendig sind. Alles sagen, was sich mit den Worten und den paar Akkorden sagen läßt, die zur Verfügung stehen und dann von vorne anfangen und nach irgendetwas suchen, was wahr ist und was scheinbar kein anderer weiß.
(aus Locas In Love – vs Kong)

Vor mehr als 2 ½ Jahren ging meine damalige Beziehung zu Ende. Die letzten Worte waren gesprochen und die Resignation gemischt mit alten Gefühlen; Neuordnung noch nicht wirklich möglich. In diese Zeit fiel die Ankündigung eines Winterkonzertes im Alten Pfandhaus in Köln von einer Band, die ich bis dahin noch gar nicht so richtig wahrgenommen hatte, in deren Begleitvideos zu ihrem neuen kommenden Album Winter aber Plätzchen gebacken oder am Rheinufer mit heißen Maronen und Lebkuchen gepicknickt wurde. Zusätzlich löste die Textzeile „vor zwei jahren war der aachener weiher zugefroren, man konnte von einem ufer zum anderen übers wasser gehen“ einen Hauch Kölner Lokalpatriotismus in mir aus, dass mir gar nichts anderes übrig blieb, als mir sowohl eine Karte für diese betitelte Wintergala als auch die beiden Platten Sachen und What matters is the poem der eben besagten Band Locas In Love zu kaufen.
Es folgen einige Wochen, in denen ich den Weg zur Universität durch die Straßen von Köln nicht ohne Locas In Love auf den Ohren auf mich nehmen konnte. Zu viel steckte in den Liedern, deren Sprache und Musik mit so viel Liebe zum Detail ineinander gewebt waren, dass ich, obwohl ich die Band erst seit kurzer Zeit kannte, bereits an dieser Stelle in ihrer Musik etwas fand, das mir bis heute nur wenige Künstler vermitteln: Aufrichtigkeit. Wenn man ein Album wie Saurus hört, weiß man, dass die Personen, die hinter diesen Liedern stecken, niemals etwas halbherzig machen würden; etwas, hinter dem sie selber nicht stehen können. Eigenschaften, die damals genau das waren, was ich an diesem Punkt brauchte und was ich schon lange Zeit gesucht, aber niemals in dieser Form gefunden hatte. Die Wintergala war dann auch entsprechend ein großer Moment, der mir zeigte mit welcher Sympathie und Hingabe die Band agiert: Wie sehr Sänger und Gitarrist Björn Sonnenberg immer darauf achtet, dass auch jeder Zuschauer genügend sehen kann und sich jeder wohl fühlt, wie schüchtern Sängerin und Bassisten Stefanie Schrank anfangs als Person wirkt, um dann in Liedern wie „Zum Beispiel ein Unfall“ dieses Bild komplett zu verwerfen und wie unscheinbar Jan Niklas Jansen den Platz im Hintergrund einnimmt, um dann mit seinem Gitarrenspiel wieder auf sich aufmerksam zu machen. Das Konzept Band perfekt umgesetzt, in dem das Zusammenspiel als Ganzes zur ästhetischen Einheit verschmilzt und dadurch Freundschaft und Haltung in einem vermittelt.
Im Publikum der Wintergala saß damals auch mein jetziger bester Freund, den ich aber erst zwei Wochen später durch Zufall beim Sir Simon Battle-Konzert kennenlernte und wir schnell merkten, dass wir uns alleine schon perfekt verstanden, weil wir eine gemeinsame Liebe für Locas In Love teilten und bereits in diesen Tag das Urteil „hat halt kein Herz“ über Personen fällten, die diese Leidenschaft nicht teilen konnten oder wollten. Und nur zwei Jahre später sitze ich mit eben diesem besten Freund in seinem WG-Zimmer, während wir beide Wein trinken und das neue Locas In Love-Album Lemming immer wieder hören, über das wir beide schreiben sollen. Er ein Porträt der Band, ich eben diesen Artikel. Jedes Lied wird innigst besprochen, erste Favoriten gewählt und versucht, die Songs, die man von den Konzerten kennt, mit den Studioaufnahmen zu vergleichen. Ein Moment, wie man ihn von früher kennt, es heutzutage bei neuen Alben leider kaum noch gibt. Doch nicht nur diese Situation alleine beweist die Größe von Lemming.
So ist einem schon beim ersten Song „Über Nacht ist ein ganzer Wald gewachsen (Das Licht am Ende des Tunnels ist ein Zug)“ klar, dass wenn ein Album mit den Worten „ich höre wieder stimmen und erhalte wieder befehle“ beginnt, es eine spürbare Relevanz besitzt, die sich im Dialog zwischen Björn und Stefanie bis zum Fazit des Ganzen aufbaut und entlädt: „das licht am ende des tunnels ist ein zug“. An dieser Stelle könnte man vielleicht von Resignation oder gar von Kapitulation sprechen, aber da ist dann doch die Kraft, die im Laufe des Albums nach vorne drängt. „Es ist alles wirklich so schlimm wie es scheint“ heißt es zwar im gleichnamigen Song, jedoch mit dem zweiten direkt darauffolgenden Zusatz: „glaub an mich wenigstens noch zehn minuten / gib mir bitte so viel kraft, dass ich durchhalte / […] vielleicht ändert sich alles“. Hier beweisen Locas In Love viel deutlicher als auf ihren letzten Alben die Kunst, Möglichkeiten aufzuzeigen, die in jedem Impuls mitschwingen oder wie es in „Manifest“ so schön heißt: „mein herz ist groß genug für ein hass und eine liebe“. Man muss die Musik nicht auf Monotonie oder thematische Konzentration reduzieren, denn die findet sich auch nicht im Leben selber. Und so wird der Versuch, alle umfassenden Register des eigenen Lebens auszuhebeln, sich aber eben mal nicht in dieser Perspektive emotional auf nur eine Sache beschränkend zu verlieren, zu einer der schönsten und ehrlichsten Liebeserklärungen überhaupt: „ich kann ohne nation leben, ohne gott / aber nicht ohne dich / ich kann ohne band leben, ohne staat / aber nicht ohne dich / und bei aller wut, die ich habe / und um die es andauernd geht / bleibst du das schönste thema für mich“. Alles dann natürlich im Hinblick auf das eigene Schaffen als Künstler mit dem „Kunst kommt Müssen, nicht von Dürfen“-Gestus, der sich in „Lemming (Es wird immer dasselbe sein)“ verfestigt. Der Lemming, der sich auf der Suche nach einem unbekannten Ort nicht von der Klippe, sondern in einen viel schlimmeren langsameren Tod stürzen muss: das Leben selbst, mit den immer wiederkehrenden Sehnsüchten, Wünschen, Zwängen und Verlusten. „ich habe so viel sehnsucht danach / dass alles übersichtlich ist und alles einfach / gelassener zu sein, ich wünschte ich könnte / darüber hinweg sehen, wie schrecklich ich die welt finde / und es wird immer dasselbe sein / und es wird immer so weiter gehen“.
Und doch ist zum Schluss mit “Die Zehn Gebote” wieder die Liebe und die Freundschaft der ruhende Pol, denn wenn wir uns zumindest in dem einen Punkt gleichen, dass keiner von uns in nächster Zeit sterben will, muss man sich nicht unnötig auf Abgrenzung konzentrieren, sondern kann sich abschließend den Dingen zuwenden, die man sonst zu häufig aus dem Blickwinkel verliert: “und das einzige das ich habe / ist dass du bei mir bist / also kommst du mit ins autokino / sie zeigen die zehn gebote“.
Wer sich an dieser abschließenden Stelle eine weniger mit Erinnerungen überlagerte Meinung zu Lemming gewünscht hätte, dem sei die Rezension von Jakob bei Rote Raupe empfohlen. Ich kann es nicht anders ausdrücken, als in den vorangegangen Zeilen und der Versuch, dies alles in eine von Superlativen überfüllte Besprechung zu packen, ohne vorher den Weg dahin zu erklären, wäre nicht angebracht und passend gewesen. Vielleicht hätte ich es aber auch komplett auf das oben bereits erwähnte Urteil reduzieren können, das ein wenig reißerisch aussagt, was für mich auch nach Lemming immer noch Gültigkeit besitzt: Wer Locas In Love nicht mag, hat halt kein Herz!